Ausreden und ihre Macht

Eine Ausrede ist laut Bedeutungswörterbuch

„Etwas, was als Entschuldigung genannt wird, aber vorgeschoben und nicht der wirkliche Grund ist.

Rechtfertigung, Vorwand, Ausflucht.“

Weitere Begriffe für Ausreden sind: Rationalisieren, Absagen, Ausflüchte,

 

Wofür stehen Ausreden? Warum benutzen wir sie schon von Kindheit an?

Weil wir gelernt haben, dass die Wahrheit nicht gut ankommt. Es kommt nicht gut an, wenn wir sagen: „Ich habe keine Lust.“ „Es interessiert mich nicht.“ „Ich habe einen Fehler gemacht.“ „Ich habe zu schnell „Ja“ gesagt und traue mich nicht, jetzt einen ehrlichen Rückzieher zu machen.“

Das sind ehrliche Eingeständnisse, von denen wir behaupten, wir wünschten uns eine ehrliche Kommunikation. In Wahrheit haben wir jedoch gelernt, dass ehrliche Aussagen keine angenehmen Konsequenzen haben. Wir bekommen die entsprechende ehrlich Antwort, vor der wir uns fürchten. Es wird unangenehm.

Auf diese Weise haben wir schon früh gelernt, dass es weichere Wege gibt, im Leben durchzukommen.

In der Kindheit gab es Schelte, Liebesentzug, Bestrafung oder andere unangenehme Konsequenzen, wenn wir ehrlich sagten, wie es für uns ist. Freunde waren beleidigt, ließen uns allein zurück und wenn andere ehrlich zu uns waren, waren wir tief verletzt.

Als wir nun lernten, uns höflich und nett, immer gut drauf und lächelnd zu begegnen, hat sich die kleine Lüge in Form der Ausrede oder Rechtfertigung eingeschlichen und etabliert.

Ist dir einmal aufgefallen, wie schnell du dich rechtfertigst, wenn dir jemand die Frage: „Warum?“ oder „Warum nicht?“ stellt. Ein „Nein“ wird meist nicht ohne Begründung akzeptiert. Dabei gibt es manchmal keine Begründung, sondern nur ein „Nein, ich will nicht. Keine Ahnung, warum.“

Ein Beispiel aus meiner Cleanzeit: Ich hatte eine Arbeit in einer Reederei. Es wurde dort sehr gern gefeiert. Zu jedem Geburtstag gab es schon am Morgen Kuchen und Alkohol. Bei jeder günstigen Gelegenheit wurde getrunken. Jahrelang wurde ich stets ausgefragt und gelöchert, warum ich nicht mittrinken wollte. Ein „Nein danke. Ich möchte nicht trinken“ wurde zu keiner Zeit akzeptiert. Ich hätte es so stehen lassen und mir all meine Rechtfertigungen und Gründe sparen können.

Immer wieder aufs Neue wurde ich gefragt und animiert und später als Spielverderber schief angesehen.

Gefühle

Wir wollen die Gefühle der anderen nicht verletzen, und wir wollen vor allem selbst nicht verletzt werden. Im Grunde sind uns die Gefühle der anderen egal. Wir müssen ihre Gefühle nicht fühlen. Aber ihre Reaktion auf unsere Wahrheit kann unsere Gefühle verletzten und Beziehungen, die mit Ausreden und Notlügen ganz gut laufen, beeinträchtigen oder sogar beenden.

Etwas anderes ist es, wenn wir die Gefühle des anderen nachfühlen können. Wir verstehen diesen Menschen in der Tiefe, weil wir in einer ähnlichen Situation waren. Das schafft eine Basis der Verbundenheit, auf der es möglich ist, ganz offen zu sprechen. Im besten Fall werden Ausreden unnötig.

Wo lernen wir, dass es ohne „Lügen“ nicht geht? In der Kindheit mit der eigenen Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Studium und im Beruf. In der Freizeit, in der Partnerschaft, in der Freundschaft, in der Kindererziehung. Ups, da schließt sich der Kreis.

Und was lernen wir außerdem? Dass die Ausreden auch im Umgang mit uns selbst SUPER funktionieren.

Wir haben schon als Kind begriffen, dass wir uns aus unangenehmen Situationen retten können, indem wir sanft die Unwahrheit sagen mithilfe einer Notlüge oder einer Ausrede.

Warum ist eine Ausrede noch schlimmer als eine Lüge?

Weil bei einer Lüge klar ist, dass sie eine Lüge ist, Bei einer Ausrede, rede ich MIR SELBST ein, dass sie wahr ist. Hast du nicht auch schon einmal gesagt: „Dann sage ich eben, dass ich im Stau gestanden habe. Stimmt ja auch.“ Stimmt schon, aber dass der Stau nur 10 Minuten dauerte und dass du zu spät losgefahren bist und die Verabredung dir nicht so wichtig ist, entspricht eher der Wahrheit.

Ich betrüge mich selbst und die anderen. Ich will die Verantwortung nicht übernehmen und oft steckt hinter einer Ausrede Angst. Angst, sich vor sich selbst und den anderen so zu zeigen, wie man wirklich ist.

Bin ich zu feige mich zu offenbaren, helfen mir die Ausreden. Besonders beliebt sind die kollektiven Ausreden, die wir alle in uns tragen und bei Bedarf anwenden:

„Schuster, bleib bei deinen Leisten“, wenn es darum geht, Träume zu verwirklichen.

Ausreden sind Konzepte, die wir uns ausgedacht haben. Sie entsprechen also nicht der Wirklichkeit. Ausreden, sind Gedanken, denen wir glauben, dass sie der Wirklichkeit entsprechen.

Gedanken entsprechen NIE der Wirklichkeit der äußeren Welt, weil wir uns Gedanken ÜBER die Welt machen. Wir erleben die Welt in einer individuellen Weise und ziehen unsere eigenen Schlüsse daraus. Ich mache mir ein Bild von der Welt, in der ich lebe. Dann mache ich mir Gedanken über sie, urteile und treffe Entscheidungen.

Gedanken haben einen geistigen Ursprung und gehorchen geistigen Gesetzen. In der materiellen Welt gibt es keine Lüge oder Ausrede.

Das, was ist, ist.

Aber unsere Meinung oder unsere Wahrheit darüber hat die Möglichkeit des Irrtums.

Zurück zu den Ausreden:

Ausreden schaden mir selbst, weil ich mich mit ihrer Hilfe selbst belüge.

Vielleicht habe ich den Traum, mich selbständig zu machen, schrecke aber zurück, weil ich an mir selbst zweifele und tief in mir denke, dass ich nicht gut genug bin.  Mein Selbstbewusstsein bekommt einen Knacks, wenn ich dem Gedanken folge. „Ja, vielleicht bin ich noch nicht gut genug. Ich brauche noch eine Ausbildung, mehr Geld, mehr Erfahrung. Ich bin noch zu jung.“

Wenn ich einmal in der Lokomotive der Ausreden sitze, hängt sich wie von selbst ein Waggon hinten dran mit dem Namen „Aufschieberitis.“

Wenn ich noch nicht gut genug bin, kann ich es ja werden. Also brauche ich Ausbildungen, Erfahrung, Wissen. In einem Wort Zeit. Das ist die Erlösung für meine Angst. Ich baue mir mein Traumleben auf — in der fernen Zukunft. So bin ich fein raus und kann in meiner Komfortzone bleiben und von einem besseren Leben träumen.

Schön bequem.

Aus einem Gedanken wird eine ganze Geschichte, warum der Traum nicht verwirklicht werden kann. Aus Angst wird ein ganzes Selbstsabotageprogramm und unser Selbstvertrauen schwindet.

Als ich eine Drogensüchtige war, hatte ich immer einen Grund, Drogen zu nehmen. Erst war es die Neugier. Alle Freunde taten es. Später wollte ich Spaß haben, dann hatte ich Ärger und suchte darin den Grund, abschalten zu können, oder es ging mir super und da musste ich noch einen obendrauf setzten. Später musste ich nehmen, weil ich einen Entzug hatte und funktionieren musste usw. usw.

Am Ende stand der Tod vor mir. Er duldet keine Ausreden. Es ging um eine Sache:

Leben oder krepieren?

Alle meine Ausreden: „Ich höre morgen auf.“

„Nur noch einmal.“

„Es geht mir so schlecht. Ich bin auf Entzug.

Nichts half mehr. Der Tod war da, um mich mitzunehmen.

Ich traf meine Entscheidung für das Leben.

Irgendwann wird er wieder vor mir stehen. Dann will ich auf keinen Fall sagen müssen, dass ich mein wirkliches Leben verpasst habe, weil ich der Angst gefolgt bin und meinen Ausreden geglaubt habe.

Der Tod akzeptiert keine Ausreden. Das Leben auch nicht, aber wir verstehen es erst, wenn es lebenswichtig wird oder überlebenswichtig oder nie.

Es gibt einige Klassiker in Ausreden:

„Ich brauche noch mehr Wissen.“

„Jetzt ist noch nicht der richtige Zeitpunkt.“

„Kein Geld.“

„Ich bin zu jung, zu alt, zu krank.“

„Ich habe die Verantwortung für die Kinder.“

„Ich bin alleinerziehend.“

„Jetzt ist erst einmal XY dran.“

„Das hat ja noch etwas Zeit.“

„Ein anderes Mal.“

„Ich habe einen sicheren Job.“

„Das versteht keiner? Was sollen die anderen nur denken?“

 

Plausible oder scheinbar vernünftige Gründe sind eine geniale Art, mich selbst zu sabotieren.

Eine Übung für dich:

Ersetzte folgende Begriffe mit dem Wort Ausrede:

Gedanken.

Gründe.

Tatsachen.

Rechtfertigungen.

Selbstsabotage.

Lügen.

Selbstbetrug.

Blockaden.

Verantwortung nicht übernehmen.

Träume und Ziele müssen warten.

Ich will nicht. (bin trotzdem unzufrieden und beklage mich lieber)

Achte auf Worte wie: könnte, sollte, hätte, würde.

Alles, was dich davon abhält, das Richtige zu tun und deinem wahren Weg zu folgen, sind Ausreden.

Was steckt dahinter?

Angst. Bequemlichkeit. Faulheit Der innere Schweinehund. Feigheit. Zweifel. Keine Lust, die Verantwortung zu übernehmen.

Angst vor deinem wahren Lebenssinn? Es könnte dir Erfüllung und Glück bringen.

 

Wer etwas will findet Wege; wer etwas nicht will, findet Ausreden.

 

P.S. Nicht zu vergessen ist dein Gegenüber, dem du die Ausrede auftischt. Er wird belogen und wahrscheinlich spürt er es auch.